Der Turmbau zu Babel, die theologische Entwicklung und der Coronavirus

von Eugen Schmid

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Der Turmbau zu Babel, die theologische Entwicklung und der Coronavirus Die Corona Pandemie stellt einen massiven Eingriff in unsere gesellschaftliche, politische und ökonomische Entwicklung dar. Hat diese weltweite Pandemie lediglich eine gesundheitspolitische Bedeutung oder ist sie im Rahmen der biblischen Prophetie bedeutsam? Kann die Pandemie eine Antwort Gottes auf die theologische Entwicklung der letzten Jahrzehnte sein?

In der Bibel wird vom Turmbau zu Babel berichtet. (1. Mose 11,1-9) Die Menschen in der damaligen Zeit versuchten mittels des monumentalen Turmbaus die Einheit voranzubringen. Er sollte die Macht der damaligen religiösen und ökonomischen Kultur demonstrieren. Sie wollten im wahrsten Sinne des Wortes hoch hinaus. Die Orientierung der Handlung liegt im Menschen selber und es ist kein Bezug zum Schöpfergott vorhanden.

In großem Stil wird die Theologie seit langem verändert. David J. Bosch (1929-1992) hat in seinem großartigen Buch „Mission im Wandel“1 die Entwicklung innerhalb der Missionstheologie akribisch nachgezeichnet. Er stellt fest, dass ein „Paradigmenwechsel in der Missionstheologie“ stattfindet. Heute steht nicht mehr die Gemeinde Jesu im Mittelpunkt, sondern die ganze Welt. Bosch beanstandet die veraltete Haltung: „[Es] ignorieren viele Predigten die Welt vollständig, selbst dann, wenn der biblische Text die Welt eindeutig als Mittelpunkt hat. […] Aber diese Art des Denkens bringt eine fromme Selbstgenügsamkeit, bringt Heuchelei hervor, einen Rückzug aus der Verantwortung gegenüber anderen Menschen und gegenüber der Gesellschaft, sowie ein herablassendes Angebot des Heils, das wir ja schon besitzen, an die ‚armen, ahnungslosen Heiden‘.“²

In diesem Zitat kanzelt Bosch die herkömmliche theologische Sichtweise als eng und als „fromme Selbstgenügsamkeit“ ab. Er wirft der Theologie einen Rückzug aus der Verantwortung gegenüber der Welt vor. Das ist nicht nur eine punktuelle Kritik an der Kirchenpolitik, sondern ein grundsätzlicher Angriff auf sie. Zwei Punkte sollen aus der theologischen Entwicklung herausgegriffen werden. Der

eine betrifft die Stellung des Christentums zu den anderen Religionen, der andere die Interpretation des Menschen- und Gottesbildes. Damit die Kompatibilität mit anderen Religionen erreicht werden kann, darf die Dogmatik nicht mehr exklusiv, sondern sie muss inklusiv gefasst werden. Die anderen Religionen werden als gleichberechtig angesehen. Karl Rahner (1904-1984) schreibt, dass Christus auch in anderen Religionen unbewusst am Arbeiten sei. Hans Küng

(1928 geb.) arbeitet in seinem Buch „Projekt Weltethos“3 an einer fundamentalen Zusammenarbeit der Religionen. Die großen Ziele werden mit Einheit, Weltfrieden und Gerechtigkeit benannt. Mit diesen Begriffen wird das Reich Gottes in der Bibel beschrieben. Nur, dass Jesus sagt: Mein Reich ist nicht von dieser Welt (Joh 18,36). Das ist eindeutig und nicht zu widerlegen. Jesus will das Reich Gottes gründen. Nur, wann und wo? Die Ökumene ist der Meinung, dass das Reich Gottes hier auf der Erde gegründet werden soll.

Dieser Meinung war auch Jürgen Moltmann (geb. 1926). In seinem Buch „Das Kommen Gottes“4 hat er folgendes geschrieben: „Wird aber die christliche Hoffnung auf die Rettung der Seele in einen Himmel jenseits des Todes reduziert, dann verliert sie ihre lebenserneuernde und weltverändernde Kraft und verglüht zu einer gnostischen Erlösungssehnsucht im Jammertal dieser Welt.“5

Seit Jahrzehnten wird nun in der Ökumene das Ziel verfolgt, eine allgemeine religiöse Zusammenarbeit anzustreben. Mit einem politischen und sozialen Programm soll die Transformation der Welt erreicht werden.

Seit vierzig Jahren arbeitet Anselm Grün (geb. 1945) an der Verwirklichung dieser religiösen Einheit. Mit 330 Büchern und einer Gesamtauflage von 20 Millionen Exemplaren hat er in der christlichen Welt einen immensen Einfluss. Er behauptet, dass die Sicht der fernöstlichen Religionen das christliche Welt-, Menschen- und Gottesbild gut ergänzen könnte. In meinem Buch6 zitiere ich Grün: „Jede Religion bietet uns spirituelle Wege an, die wir gehen können, um uns immer mehr für Gott und seinen Geist zu öffnen.“7

Ein weiteres Merkmal dieser theologischen Entwicklung besteht darin, dass Gott, das Göttliche oder ‚Christus‘ in den Menschen verlegt werden. Jesus Christus soll als ein Bild gedacht werden, das es in uns zu entwickeln gilt. Dann können die verschiedensten Meditationstechniken angewendet werden, um den Menschen näher zu Christus zu führen. Dann kann auch eine buddhistische Meditation geübt werden.

Anselm Grün sieht das Göttliche im Menschen. Von C. G. Jung übernimmt er die Vorstellung, dass Christus den innersten Kern des Menschen, das Selbst, darstellen soll. „Was meint Grün, wenn er unermüdlich vom wahren Wesen, dem spirituellen Selbst, dem unberührten Bild, dem Inneren und seiner Zentrierung schreibt?“ Und „Gott und Jesus Christus werden nur als Bilder verstanden, die dem Menschen in seinem Inneren, eben in seinem inneren Raum der Stille, begegnen würden.“8

Dann wird der Dualismus zwischen Mensch und Gott schleichend verschoben und sogar aufgehoben. Dann laufen die religiösen Entwicklungen innerweltlich ab und der transzendente Bezug geht verloren, oder anders gesagt, der transzendente Bezug wird innerhalb der Welt gedacht.

Die biblische Prophetie spricht von einer Endzeit. Die Prophetie ist aber längst out in der Christenheit, denn diese ist ja der Entwicklung im Wege. Denn dort wird keine kontinuierliche Entwicklung der Welt zum Reich Gottes dargestellt, sondern zuvor ein antichristliches Reich mit einem falschen Propheten geschildert. Und davor warnt uns Jesus Christus in seiner Endzeitrede: „Und es werden viele falsche Propheten auftreten und werden viele verführen. Und weil die Gesetzlosigkeit überhandnimmt, wird die Liebe in vielen erkalten.“ (Mat 24,11-12) Können wir das nicht heute beobachten? Erkalten denn nicht viele Christen? Werden die Kirchen denn nicht leerer? Ist der Abfall denn nicht schon längst im Gange?

„Lasst euch von niemand in irgendeiner Weise verführen! Denn es muss unbedingt zuerst der Abfall kommen und der Mensch der Sünde geoffenbart werden, der Sohn des Verderbens.“ (2. Thess. 2,3)

Im 2. Kapitel des 2. Briefes an die Thessalonicher wird das Endzeitszenario prägnant dargestellt. Der breite Abfall vom christlichen Glauben wird als Voraussetzung der Endzeit angegeben. Abfall heißt, dass die westliche Namens-Christenheit von der Erlösungsbotschaft Jesu Christi am Kreuz abrücken wird und andere spirituelle Formen wie fernöstliche Mediationstechniken als heilsrelevant ansehen wird. Das ist die moderne synkretistische Spiritualität, die sich heute innerhalb und außerhalb der Kirchen immer mehr ausbreitet. Eine große Verführung wird so die Christenheit erfassen.9

„Dann fügte Jesus noch hinzu: ‚Es wird ein Volk gegen das andere aufstehen und ein Staat sich gegen seinen Nachbarstaat erheben. Starke Erdbeben werden die Erde erschüttern, Hungersnöte und Seuchen werden sich ausbreiten …“ (Lukas 21, 10-11) Die Seuchen gehören also zum Gerichtshandeln Gottes in der Endzeit. Die Pandemie ist die rote Karte Gottes oder ein Gericht Gottes über diese gottlose Entwicklung.

„Lebt also auch ihr in Wachheit und Bereitschaft! Denn ihr wisst nicht von vornherein, wann der Menschensohn kommen wird.“ (Mat 24,44) „Jesus antwortete: Passt gut auf, damit euch keiner in die Irre führt!“ (Mat 24,4) Gott möchte, dass wir wachsam die Theologie analysieren, um die Verführung zu erkennen und zu durchschauen.

 

1 David J. Bosch, Mission im Wandel. Paradigmenwechsel in der Missionstheologie, Gießen 2012. Engl. New York 1991

2 Dto. S. 501

3 Hans Küng, Projekt Weltethos, München 1990

4 Jürgen Moltmann, Das Kommen Gottes, 1995

5 Dto, S. 15

6 Eugen Schmid, Die Theologie von Anselm Grün - zwischen Psychologie und Spiritualität, Lichtzeichen Verlag Lage, 2014

7 Anselm Grün, Spiritualität 2007, S. 8, zitiert in: Eugen Schmid, Die Theologie von Anselm Grün

8 Eugen Schmid, Die Theologie von Anselm Grün, S. 56

9 Eugen Schmid, Die Tage sind böse, nutzt die Zeit! In: Factum 4/2008, S. 48

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